Murky Amazon

Meine gewünscht knackige Antwort im Nachbarblog auf die berechtigte Frage, weshalb ich alter Sack zu amazon verlinke und mich so – scheinbar – nicht an meine eigenen Vorschriften halte, verdient hoffentlich einen kurzen Ehrenrettungsversuch, also: ja, amazon ist gefährlich. Für den gesamten Einzelhandel. Auch für den Buchhandel, obwohl der noch am besten aufgestellt ist gegen die Bedrohung, verfügt er doch über ein ungeheuer wirksames Schutzschild, die Buchpreisbindung. Davon träumen alle Hersteller von Schuhen, Gartengeräten und Einweckgläsern, die Amazon gerade an die Wand klatscht.

Deshalb kaufen wir alle, logisch, alles möglichst lokal. Und erhalten Arbeitsplätze vor Ort. Auch wenn es viel unbequemer ist als das Einkaufen beim amazon. Dort bestellen wir also nur im Ausnahmefall. Festangestellte (96% der Bevölkerung) bestellen dort sowieso nie. Die würden sich ja ihr eigenes Grab schaufeln.

Dass man sich nun allerdings bei den guten Büchern ausgerechnet als Autor, also allerschwächstes Glied in der Verwertungskette, schützend vor Verlage und Buchhandel stellen oder werfen soll, ist ein bisschen grob gedacht. Ich jedenfalls verstehe jeden Autor, der sein Taschenbuch auf seiner eigenen Webseite zu den amazonen verlinkt, denn auf diese Weise verdoppelt er per Mausklick sein lausiges Honorar. 95% der Taschenbuchumsätze landen nämlich nicht beim Autor. Sogar die Gemeinschaft, vertreten durch die Finanzämter, verdient mehr an jedem einzelnen Taschenbuch als der Urheber, nämlich 7% MwSt. Autor: 5%. Vom Rest, nach Abzug der 7% vom Ladenpreis. Sprich: Der Autor, der sich selbst verlinkt, zieht dem Buchhändler 5% von dessen 40% Umsatzbeteiligung ab, danach steht´s dann nicht mehr 5:40, sondern nur noch 10:35 zugunsten des Händlers. Das kann man fies finden. Oder eben auch nicht.

Wie ich bereits drüben schrieb, gehen meine Zusatzeinnahmen komplett in meine diversen Spendenaktivitäten, die sich möglichst auf 3-5% vom Brutto belaufen. Das soll hier aber nur am Rande erwähnt sein, weil´s Privatsache ist. Hier soll nur entschuldigend stehen bleiben: Wenn Autoren sich selbst via amazon verlinken, ist das nicht per se unanständig. Sondern im größeren Zusammenhang zu sehen. Amazon nutzt schlicht aus, dass Urheber und Autoren im bestehenden System miserabel dastehen – und zu diesem unerhörten Angriff auf die Verteilung im alten System gehört auch die Honorargestaltung bei den Self-Publishing-Möglichkeiten für den Kindle. Das Problem ist aber nicht ursächlich amazon, sondern die systematische Schlechtstellung der Autoren.

Wieso ich trotzdem gerade einen Anwalt suche, der mich gegen Amazon begleitet? Na, weil ich nicht nur Autor bin, sondern auch Kunde. Und da Amazon sich weigert, meine gesammelten Such- und Einkaufsdaten zu löschen und sich obendrein auf angeblich geltendes Recht beruft (man dürfe gar nichts löschen, auch nicht die Daten aus 2003), müssen wir wohl mal reden. Ich bin gespannt, ob danach auch mein ganzer Kindle leer ist, aber das wäre dann bestimmt eine weitere Runde bis zum BGH wert.

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